Tag 9 – Teil 2 – Von Tromsø nach Stamsund

Es ist Montag, 01.10.2012, 10:26 Uhr. Ich habe gut geschlafen, gefrühstückt, das Polarkreisdenkmal südgehend pflichtgemæß abgelichtet und „das Internet“ læuft wieder (so langsam, wie es das halt tut – man ist ja aufer Arbeit und zu Hause schon ganz verwøhnt…). Es ist Zeit, zu berichten.

Der Tag gestern beginnt mit Harstad. Harstad verpasse ich, ist mir zu früh – Harstad war mir immer zu früh. Auch 2003 und 2009. J:0)rg, mein Informationsspezialist sagt immer: Harstad is nix. Harstad ist so, wie Bodø oder Kirkenes (wobei Kirkenes kann er garnicht leiden – er ist næmlich kein Kettensægenfan). Also nehme wir ihm ab, dass ich mit Harstad nichts verpasst habe. Der næchste Hafen ist Risøyhamn (Vesterålen). Die Sonne lacht vom Himmel, das Licht bezaubert die Landschaft und unsere Herzen und dann auch unsere SD- und SF-Karten in den Kameras. Gehts uns nicht gut?
Vor dem Hafen von Risøyhamn liegt die Risøyrenna, eine enge Fahrstrecke, die unser Chef Kjell-Inge aber sauber meistert. Wir bewundert das Anlegemanøver und die vielen Vøgel, die hier das Schiff im Wasser und in der Luft begleiten oder auch schreiend wegrennen (sieht aus wie kleine Enten).

Weiter gehts nach Sortland (Vesterålen), wo es, wie gerade in Risøyhamn, gilt, die Brücke abzulichten. Nach der Kleinigkeit zu Lunsji gehts nach Stokmarknes. Stokmarknes ist Geburtsort der Hurtigruten, denn 1881 gründete Richard With hier die Vesterålen Dampfschifffahrtsgesellschaft. Das Museum spare ich mir, J:o)rg spart auch, aber Detlef ist Ersttæter und er muß. Wir kønnen ihm das leider nicht ersparen. Tapfer nimmt er es hin – kommt aber auch wenig begeistert zurück. J:o)rg und ich checken derweil die Ausrüstung, trinken noch einen oder zwei Tee, packen uns ein und gehen raus. Ab jetzt sind viele Stunden Outdoor angesagt.

Wir überqueren ein Stück Wasser, was wir ein stiller und großer See aussieht. Silbern leuchtet das Licht, die Berge sind z.T. in Wolken, z.T. haben sie noch Sonnenlicht, ein Spiel der Herbstfarben, der Lichtstrahlen. Es liegt ein großer stiller Zauber über allem und die Touris, die so langsam „5 vorne“ bevølkern sind still und genießen das Licht und die Eindrücke.

Die MS Polarlys windet sich nun in den engen Raftsund, der die Vesterålen von den Lofoten trennt. Es ist voll an Deck und überall klicken die Kameras. (Ich kønnte hier noch was über die Autoblitzer-billig-Tourikamera und ihre Meister(innen) schreiben – besonders, wo mein Vortrag vom Trollfjord anscheinend Früchte trægt — aber das verschiebe ich auf spæter.) Um 17:30 Uhr, werden die Seeadler-Safari-Teilnehmer runter gebeten und wir werden in die MS Orca, einen kleinen schnellen Flitzer ausgetendert. Die MS Polarlys fæhrt weiter und wir kümmern uns nun um Seeadler. Es sind auch gleich zwei da, die hoch über uns kreisen. Ein Schwarm Møwen begleitet die MS Orca, sie werden mit Brot angelockt. Zum üben knallen Detlef und ich einige Male mit dem 400er auf die Møwen, um Focus und Belichtungseinstellungen der Kamera zu testen. Dann schlængelt sich die MS Orca durch die Schæren und durch eine Abkürzung zum Trollfjord, den die Polarlys wegen ihres Tiefganges nicht nehmen kann, sie muß außenrum fahren. Für uns bieten sich ein paar schøne Bilder unseres Schiffes. Wir treffen die MS Polarlys im Trollfjord, der bei Licht noch besser ist, als bei Nacht. Steile Felsen, ein sehr enger kleiner Fjord, herbstlich geschmückte Büsche und Bæume, Wasserfælle – Trolle und Feen, wenn man genau hinschaut. Man kann sich kaum sattsehen. Und erneut fliegen ein paar Seeadler an uns vorbei und ich bin damit schon sehr zufrieden, aber es ist erst der Anfang. Wir verlassen den Trollfjord und halten auf Svolvær zu. Zwei Spotter und der Kapitæn halten nach Seeadlern Ausschau und bremsen das Boot immer, wenn sie welche sehen, was die Gruppe der Riesenkameraleute im Bug immer ordentlich ins Stolpern bringt. Dann fliegt ein toter Fisch ins Wasser. Die Adler kreisen zwei drei mal um das Boot, dann stürzen sie aus großer Høhe ins Wasser und greifen sich den Fisch und fliegen davon. So sechs bis acht Mal geht das so und es ist bei dem Gedrænge schwierig, statt Mützen und Vorderleute genug Seeadler drauf zu bekommen. Ich bin froh für mein 100-400mm Tele. Ein paar Bilder gelingen den drei Wikingern ganz gut und wir haben jetzt schon einen Tag, der sich schon wieder zu 100 Prozent gelohnt hat. Zwischen den Seeadlern halte ich auf die bezaubernde Landschaft, die blauen und rosa leuchtenden Wolken und die MS Polarlys, die immer wieder hier oder da ins Bild fæhrt. Dann hælt das Boot wieder und ein (neues?) Seeadlerpaar sorgt für verdrehte Hælse, trokelnde Bewegung und leises Fluchen hier oder da über „knapp vorbei“. Aber es ist eine ausgelassene Stimmung und alle sind nett und freundlich an Bord und eine Frau zieht sogar ihren Mann auf Seite, damit ich auch mal an die Reling komme. Wenn ihr also jemals im Sommer oder Herbst die Hurtigruten fahrt, dann bucht schon gleich im Reisebüro unseres oder eures Vertrauens die Seeadlersafari.

Die MS Orca fliegt nun nach Svolvær und nimmt dort den Hintereingang für kleine Schiffe, wæhrend die dicke MS Polarlys den Haupteingang nimmt. So spendiert uns Hurtigruten noch ein paar Bilder des anlegenden Schiffes im Spezial-Lofoten-Dæmmerlicht.

Obwohl es schon ein Super-Tag war, kribbelt es noch immer. Die Polarlichtvorhersage ist stabil gut, der k-Flux ist von 2 bereits auf 3 gestiegen und ab 4 ist zwei Stunden vor und nach Mitternacht mit Polarlicht zu rechnen. Aufgeregt gehts zum Essen, wo Susi mit drei Wikingern an den Kapitænsstisch gebeten wird. Da wir sonst im first Sitting essen, es aber wegen der Seeadler nicht ging, dass wir um 18 Uhr an Tisch 36 Platz nehmen, essen wir heute um 20 Uhr im second Sitting und nicht an unserem Tisch. So sitzen wir also am Kapitænstisch und nur durch einen bedauerlichen Fehler im Protokoll fehlen Kjell-Inge Jensen und seine Offiziere – niemand hat ihnen offenbar Bescheid gesagt. Na ja, wære nach dem schønen Tag sicher auch zu viel gewesen. Am Kapitænstisch gibt es heute:

Potato and leek soup with croutons and truffle oil Steamed haddock roulade with sautée vegetables, tomato jus and baked amandine potatoes Rhubarb and strawberry soup with puff pastry and sour cream

Ich schaue raus, dicke Wolken, z.T. kleine Schauer. Auf der Fahrt nach Stammsund wird das nicht besser. Aber ich bleibe ruhig, auf See ist das Wetter immer anders, als an den Bergen der Lofoten und J:o)rg sieht für Bodø auch Besserung auf seinem iFøn. Wird schon werden, denke ich. Ein paar freie Stellen am Himmel sollen uns reichen.

Wir warten in der Bar, da gibts wenigstens was zu trinken. Aber es kommt keine Stimmung auf. Ich habe das gesamte Gerødel mit: Stativ, Kamera, Fernsteuerung, Taschenlampe, Objektive, Rucksack, Jacke, Mütze. J:o)rg und Detlef sind auch bis aufs Stativ voll beladen. Die Bartouris schauen uns an – wir fallen auf. Wikinger sind hier eine eher seltene Rasse – viele halten uns für Profis und sicher auch für etwas bekloppt. … Selber! Nach einem Bier halte ich es nicht mehr aus und gehen auf Deck 5. Da ist der Mond, der hinter den Wolken ein bøses Gesicht macht und hi und da silberne Strahlen über das Wasser schickt. Ein Rundgang um das Schiff. Da ist mir, als sehe ich die silber gefilterte Variante eines Regenbogens auf See. Kamera ans Auge und tatsæchlich. Zwei Bilder. Detlef ist hinter mir, er sieht es auch. Da ist tatsæchlich ein Regenbogen, der vom gebrochenen Licht des Mondes in einem Regenschauer erzeugt wird. Wunderschøn. Habe ich noch nie gesehen. Oder ist es nur eine Fee, die einen bunten Schleier zur Nacht trægt? Zur Sicherheit noch ein Bild.

J:o)rg und ich setzen uns hinten auf Deck 5. Da ist der Mondschein des Vollmonds abgeschirmt und wir haben freien Blick nach Norden, Osten und Süden. Ich setze die Wollmütze auf, die mein Vater 2003 auf unserer Tour mit der MS Vesterålen trug. Das ist eine Zaubermütze. Ich bin mir sicher. Detlef ist zu einem Treffen mit seinem Stativ in seine Kajüte unterwegs. DA, auf einem freien Stück Himmel meine ich ganz zarten Schleier, einen Hauch von Nebel zu sehen. J:o)rg sieht es auch. Der zarte Schleier bewegt sich nicht und ist sehr sehr hoch. Kamera drauf. Ein Bild. Richtig, ein grünes doppeltes Leuchtband, zwei Gøtterfackeln stehen am Himmel. Was für ein Erlebnis. Ich muß erstmal Schlucken. Ich sehe tatsæchlich eine Aurora Borealis mit eigenen Augen. Wow. Tief durchatmen. Jetzt ruhig bleiben und an all die Tipps denken, die mir der Abenteurer Nils vor der Abfahrt geben hatte: Hohe Isozahl – nicht zu hoch, sonst gibts Bildrauschen, Autofocus aus, Entfernung auf unendlich, Blende ganz auf, møglichst kurze Belichtungszeit, so 5-10 Sekungen. Okay. Ich starte mit ISO 800 und 8 Sekunden. Das klappt gut. J:o)rg und ich schrauben die Objektive in die richtige Richtung und machen Bilder. Bei mir werden es diese Nacht alleine 190. Insgesamt landen heute 690 auf meinen beiden Speicherkarten.

Das Nordlicht bewegt sich nicht, es kommt in Steifen und Vorhængen, ganz schwach, ganz zart, kaum zu sehen und hell grün. Nur die Addition des magischen Leuchtens zeigt auf dem Kameramonitor deutlich die Bilder, die man so von Polarlicht kennt und die man im Fernsehen und im Netz sieht. Wolken schieben sich hier und da dazwischen und wir bekommen das grüne Leuchten mit Wolken. Detlef ist eingetroffen zusammen jagen wir nun das Licht. Schweigend arbeiten wir glückselig an den Kameras und freuen uns, dass die Billig-Knips-Autoblitzfraktion noch nicht da ist. Ich gehe Susi holen, die wollte informiert werden. Susi müht sich tapfer mit ihrer Kamera ab, aber die ist klein und hat Angst vor so viel Großartigkeit. Ihre Kamera bring heute nacht, trotz liebevoller Betreuung und auch Unterstützung durch mein Statvi(chen) kein ordentiches Bild auf die Platte. Schade. Ich rate zu einer KAMERA, also einem Teil, wo man durchgucken muss, um ein Bild zu komponieren und welches klein Blitz hat!

Es ist Pause, eine Wolkendecke schiebt sich über uns und der Vestfjord wird dunkler, kein Mondlicht, kein Nordlicht. Aber es ist noch hin bis Nordlicht-Ladenschluß so gegen 2 Uhr in der Früh und wir harren geduldig aus. Und es lohnt sich. Der Himmel reißt auf und überall im Mondschatten sind zarte Bænder und Streifen sichtbar. Leise klicken die Ausløser, mit kurzem Zeigen oder einer knappen Kopfbewegung, wird auf ein neues Licht gezeigt. Ich schaue nach Norden, Polarlicht schwebt über den Bergen. Ein Sternschnuppe zieht über den Himmel. Ich bin glücklich. Alles nur die Zaubermütze von meinem Dad!

Wir halten aus, bis Landegode im Mondschein vor uns liegt. Der Leuchtturm blink in die Nacht, das Meer glitzert, aber für ein gutes Leuchtturmbild schwankt das Schiff zu stark und es muss ja auch mal Schluß sein.

Um das Adrenalin abzubauen, setzen wir uns in die Cafeteria auf Deck 4 und nehmen noch einen Tee. Die Bar hat lange zu.

Was für ein Erlebnis. Wir haben echtes Polarlicht gesehen und in Ruhe und ohne Størung konnten wir es genießen und festhalten. So klasse!

Ich sichere noch die Bilder der Kamera, was bis 3 Uhr dauert. Fast bin ich ein bisschen dankbar, dass ich nicht mehr bloggen muss, „das Internet“ tuts nicht. Dann muss das bis morgen warten.

Es ist 13:18 Uhr, ich sitze am Schreibtischchen meinder Kabine und nutze den Hafen in Sandnessjøen zum Schreiben. Viele sind von Bord und „das Internet“ ist jetzt okay. Heute früh war – was wohl – sonniges Herbstwetter. Nesna und den Polarkreis haben wir passiert, ich war kurz draußen. Ein paar Moleküle zum Lunsji gab es, jetzt warten wir auf „De syv søstre“, davon mehr heute abend.


Seeadler

Seeadler

Aurora Borealis auf dem Vestfjord

Aurora Borealis auf dem Vestfjord

Aurora Borealis

Aurora Borealis

Brücke der MS Polarlys mit rotem Backbord-Positionslicht und Aurora Borealis

Brücke der MS Polarlys mit rotem Backbord-Positionslicht und Aurora Borealis


@misc: Danke
@nils: Wir waren auf See, nicht auf Land
@susi: wird schon werden
@OE: Grüße
BvF*
kkkkkkk


Das Programm von heute, 1.10.2012

02:00 an Bodø
04:00 ab Bodø
07:00 an Ørnes
07:15 ab Ørnes
11:00 an Nesna
11:15 ab Nesna
12:30 an Sandnessjøen
13:30 ab Sandnessjøen
16:15 an Brønnøysund
17:00 ab Brønnøysund
17:30 Torghatten
20:30 an Rørvik
21:30 ab Rørvik

Webcams:

Mehr Details gibt es in unserem Hurtigruten-eBook.

Über Florian Seiffert

http://www.seiffert.net
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7 Antworten zu Tag 9 – Teil 2 – Von Tromsø nach Stamsund

  1. Oma Ellen schreibt:

    See-Adler U N D Polarlicht !!! Glückwunsch! Gibt es noch eine Steigerung? Sicher nicht.

  2. Susi schreibt:

    Wenn Du lieber Florian, dir mal meine Kamera etwas besser angesehen haettest, dann wuerdest Du sehen dass man doch durch die Kamera von der Du so frech redest durchgucken kann.

  3. Heidi schreibt:

    Hei Florian,

    „verschlinge“ gerade deine „irren“ Berichte! 🙂 Kann mich an den traumhaften Fotos kaum satt sehen. Werde Ende November auch mit der Hurtigruta fahren und das Nordlicht „jagen“. 😉 Habe mir extra dafür neue Fotoausrüstung gekauft, mit Weitwinkelobjektiv, Stativ und Fernauslöser. Und wünsche mir, dass ich auch solches Glück habe und endlich das Nordlicht mit eigenen Augen sehe. God tur weiterhin! LG Heidi!

    • Florian Seiffert schreibt:

      Liebe Heidi,
      Danke für Dein Lob. Das freut mich!
      Wenn ich Dir noch einen Rat geben darf, versuche Deine Kamera im stockdunkeln bedienen zu lernen, Autofokus aus, Entfernung auf unendlich, Belichtung manuell, ISO auf Auto oder 800, Blende ganz auf. BLITZ AUS. Wenn Du das kannst, wird mit etwas Glück alles gut. Ich drücke die Daumen.

      • Heidi schreibt:

        Vielen Dank für deine Tipps! Habe eine NIKON D5100 Spiegelreflex, wird sich sicher alles so einstellen lassen. Ohne Blitz logisch. Recherchiere schon ne ganze Weile im Netz nach Nordlichtfotografie. Ich habe ja noch etwas Zeit und werde mich erst mal am „heimischen“ Sternenhimmel austoben, zur Probe. 😉

  4. Stefan schreibt:

    Tolle Bilder vom Polarlicht!!! Euch weiter eine gute Zeit. LG Stefan

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