Am Montag, 18.10.2021 gehe ich eine Runde mit unseren zwei Katzen, Tirza und Hinze, Schwester und Bruder. Meist gehen wir eine Runde um den Block, so ca. 1 km. Tirza und Hinze schauen dabei bei Häusern und Vorgärten, was es für neue Gerüche gibt und wo man hier und da ein Auge oder eine Nase drauf- oder dran halten muss. Für mich bedeutet das, dass es schon mal was dauert, bis Hinze und Tirza mit „Spazierstockschwanz“ wieder auftauchen und im Galopp wieder zu mir aufschließen. Oft muss ich aber auch ein paar Minuten warten, bis das Rudel wieder zusammen ist.
Montag ist Tirza mal wieder in einem Vorgarten verschwunden und ich denke so nach 5 oder 10 Minuten, Mäuschen, jetzt ist Schluss, Du weisst ja, wo Du zu Hause bist, ich warte nicht länger. Aber an jenem Montag war es anders. Ich sah Tirza zum letzten Mal. Tirza verschwindet, Hinze ist am Morgen zu Hause. Tirza nicht.
Erst machen wir uns keine Sorgen. So ein Springinsfeld muss vielleicht erst noch ein Abenteuer beenden? Rollig?
Als Dienstag Tirza auch am Abend nicht auftaucht, denke ich schon: Nicht gut. Dabei bleibt es die nächsten Tage. Tirza ist und bleibt verschwunden.
Wir melden den Verlust an https://www.tasso.net/ und das lokale Tierheim in Bonn, M* hängt Verlustmeldungen auf, wir sprechen Leute an und suchen und suchen und rufen und rufen.
Hinze ist verstört, wir merken, dass er seine Schwester vermisst und unruhig nach ihr sucht. Wo ist Tirza?
Unsere Statusmeldungen bei WhatsApp bringen eine Welle an Zuspruch, Hilfsbereitschaft, Tipps, Retweets, Anteilnahme und Liebe. Claudia postet die Suchmeldung bei Facebook, Peter meldet sich aus dem Urlaub in Norwegen und hat Sorge, dass Tirza vielleicht in seinem leeren Haus verhungert? Ilse träumt davon, dass Tirza in ihr Auto eingestiegen ist und unter dem Beifahrerinnensitz langsam stirbt. H* träumt, Tirza habe sich rumgetrieben, kommt zerwühlt und zerzaust nach Hause und braucht erstmal eine Dusche.
Wir sind ziemlich mit den Nerven fertig. Hauptsächlich, weil Tirza so eine zugewandte, niemals scheue und muntere Katze ist. Sie geht in fremde Wohnungen, lässt sich füttern, klaut anderen Katzen und Hunden ihr Fressen, hat keine Skrupel dabei und kommt dann auf den Schoß gesprungen, legt den Kopf auf den Arm, die kleine Pfote daneben und lillt auf mein Frühstücksbrot mit Schinken. Sie tut das so ausdauern, dass es einem das Herz erwärmt. Oder sie flitzt durch das Zimmer, springt auf den Schoß und rollt sich zusammen, nicht ohne irgendwie deutlich gemacht zu haben: Kraul mich!
Wir rätseln, was passiert sein kann. Theorien, Spekulationen, faktenfreie Geschichten. Das führt nicht weiter und Tirza fehlt.
Nach einer Woche haben wir keine Lust mehr auf Tipps und Geschichten (mein Katze war auch mal weg). Wir wollen unsere Tirza wieder haben. Es reicht jetzt. Tränen fließen auch. Baldasare sagt: Haustiere gehören zur Familie!
Der Eine-Woche-vorbei-Montag geht zu Ende, ich komme von Patentante Hildegard, habe IT-Probleme gelöst und noch nichts gegessen. Da klingelt um 21:40 das Telefon. Eine junge Dame von Tasso meldet eine Sichtung von Tirza in Bonn Friesdorf. Friesdorf? Das ist 14km entfernt! Niemals ist Tirza das gelaufen, denke ich. Die Dame gibt die Handynummer von Patrizia durch. M* ruft sofort an. Kurzes hin und her, dann schickt Patrizia ein Bild und sofort ist klar: Ja, das ist Tirza. Sie treibe sich in der Gegend seit Dienstag rum und sei aufgefallen, da sie in ihre Wohnung gekommen ist und sich über Nudelsalat hergemacht habe (ja, so ist sie). Wir sollten morgen kommen, dann tauche Tirza sicher wieder auf. WAS MORGEN?
Keine Sekunde kommt das in Frage. Nein, nein wir fahren sofort.
Friesdorf ist 14km entfernt. Als wir die Hälfte hinter uns haben, ruft Patrizia nochmal an, Tirza ist wieder da und sie haben sie in der Wohnung festgehalten. Prima, wir müssen nicht suchen und nachts in Gärten und Hinterhöfen rufen.
Bei Patrizia sitzt Tirza auf der Erde in der Küche und frisst. Glück durchströmt uns, Tirza ist da und offenbar gesund. Wir sind sehr dankbar. Patrizia hatte bei Tasso nach entlaufenen Katzen gesucht, aber nur für Bonn. Erst heute hatte sie die Idee, den Suchradius zu vergrößern, so kam zu Bonn auch Bornheim dazu und der Treffer bei Tirza. Hurra! Wir bedanken uns herzlich, bitten Tirza in die Transportbox und fahren heim.
Tirza klettert raus, als wir zu Hause sind. Hinze schnuppert kurz und dann stupsen die zwei ihre Nasen aneinander. Willkommen Tirza. Widder do!
Wir denken, dass Tirza am Montag oder Dienstag vor einer Woche in ein Auto geklettert ist – das hat sie schon gemacht, vielleicht roch es lecker? Dienstag früh fährt dann Tirza unfreiwillig mit jemandem Auto. Vielleicht endete die Fahrt regulär in Friesdorf, vielleicht hat die Fahrer:in Tirza dort rausgeworfen? Jedenfalls fand sich Tirza plötzlich fern der Heimat wieder und musste sich irgendwie durchschlagen … Nudelsalat schnorren ist da schon eine gute Idee.
Das Abenteuer ist gut ausgegangen. Tirza ist noch etwas durch den Wind und muss das Abenteuer verarbeiten – wir aber auch.
Sie hat sich jetzt ordentlich den Bauch vollgeschlagen, das Revier hier zu Hause überprüft, mit Hinze kurz gerauft und liegt nun auf dem Sofa zusammengerollt und schläft.
Ich dachte immer, Katzen können nicht glücklich machen. Jetzt weiß ich: Doch, können sie!
Tirza in der Fremde!
Was für ein großes Geschenk 💝
Ja, wir freuen uns sehr!